Grußwort des Oberbürgermeisters Gert-Uwe Mende

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

2021 wird für die Jüdische Gemeinde Wiesbaden in vielerlei Hinsicht ein besonderes Jahr. Natürlich richtet sich der Fokus bundesweit auf „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“, ein herausragendes Jubiläum, das auch bei uns gebührend gewürdigt werden soll. Für uns und für das aktuelle jüdische Leben in unserer Stadt viel bedeutsamer sind aber zwei Jubiläen, die wir ebenfalls 2021 feiern wollen: die Wiedergründung der Jüdischen Gemeinde nach den Schrecken der Shoah vor 75 Jahren und der Neubau der Synagoge in der Friedrichstraße vor 55 Jahren als Zentrum jüdischen Lebens in Wiesbaden.
Ich freue mich sehr, die Schirmherrschaft über die Veranstaltungsreihe übernehmen zu dürfen, die das Jüdische Lehrhaus anlässlich dieser drei Ereignisse ins Leben gerufen hat. Besonders freue ich mich über eine gemeinsam mit dem Stadtarchiv für das zweite Halbjahr geplante digitale Ausstellung mit dem Titel „Jüdisches Wiesbaden: Zwischen Neubeginn, Zuversicht und Tarbut — Zeit für jüdische Kultur‘“. In der Ausstellung, zugleich Auftakt der Veranstaltungsreihe „Tarbut – Zeit für jüdische Kultur“, erzählt die Jüdische Gemeinde ihre Nachkriegsgeschichte und verknüpft sie mit aktuellen Bezügen.
Jüdisches Leben in Wiesbaden hat — wie in ganz Deutschland — von Beginn an eine äußerst wechselhafte Geschichte, die ihren Tiefpunkt in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur fand. Dass nach 1945 wieder Jüdinnen und Juden nach Wiesbaden zurückkehrten und, allen Widrigkeiten zum Trotz, in unserer Stadt eine Gemeinde gründeten, mutet auch heute noch wie ein Wunder an. Wie lebendig diese Gemeinde sich heute zeigt, wie selbstverständlich heute jüdisches Leben, jüdisches Lehren und jüdische Kultur in Wiesbaden geworden ist, scheint mir fast noch ein größeres Wunder zu sein. Und wie die Jüdische Gemeinde Wiesbaden die Zuwanderung von hunderten Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion in den 1990er Jahren gemeistert hat, nötigt mir noch heute großen Respekt ab.
Und doch, so zeigt es die jüngste Vergangenheit, ist jüdisches Leben nicht sicher in Deutschland. Antisemitismus und Gewalt gegen jüdisches Leben treten in einem erschreckenden Maß wieder zu Tage und es ist wichtiger denn je, dieser Entwicklung entschieden entgegenzutreten. Bildung und Aufklärung bilden hierfür ein Fundament und ich danke der Jüdischen Gemeinde, die unter anderem mit dem Jüdischen Lehrhaus seit vielen Jahren erfolgreich dazu beiträgt, spannendes Wissen rund um das Thema Judentum zu vermitteln und so das Verständnis der Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger für jüdisches Leben zu fördern.
Mit den Veranstaltungen rund um „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ gelingt es dem Jüdischen Lehrhaus wieder, neugierig zu machen auf die spannende Geschichte von Jüdinnen und Juden in Deutschland, aber auch auf die vielen Facetten, die jüdisches Leben bereithält. Nicht nur in Wiesbaden.
Herzliche Grüße
Gert-Uwe Mende
Oberbürgermeister und Schirmherr