
Eine Vergegenwärtigung aus gegebenem Anlass
Mittwoch, 14. September, 19 Uhr
Ort: Jüdische Gemeinde Wiesbaden und online über ZOOM Cloud-Meetings

(Bild: © Peter Görlich)
„Gibt es einen Weg, die Menschen von dem Verhängnis des Krieges zu befreien?“ Diese Frage rückte Albert Einstein im Jahre 1932 im Auftrag des Völkerbundes ins Zentrum eines öffentlichen Briefwechsels mit Sigmund Freud. Als ein Jahr später die nun stattgehabte Korrespondenz unter dem Titel „Warum Krieg?“ veröffentlicht wurde, war Hitler an der Macht und jeder kritische Geist zur Ohnmacht verurteilt. Einstein ging noch im selben Jahr ins amerikanische Exil; Freud wählte, hoch betagt, das englische, fünf Jahre später. Die weitere Verbreitung des Gedankenaustauschs zwischen den beiden weltweit anerkannten Forschern wurde von den Nazis unterbunden, Einsteins Botschaft kaum mehr gehört: „Unsere Waffen seien die des Geistes, nicht Panzer und Geschosse.“
Der Briefwechsel ist ein historisch bedeutungsvolles Dokument der Aufklärung und des Humanismus, ein energisches An-Denken gegen die Gräuel des Krieges. Einstein und Freud sind zu unseren Zeitgenossen geworden, weil sie sich den Schwierigkeiten und ungelösten Problemen der Frage aussetzten, Illusionsbildungen aus dem Weg räumten und mit nahezu jedem vorgetragenen Argument hartnäckig daran erinnern, dass die Menschheit ihre Überlebensaufgabe noch nicht gemeistert hat: eine tragfähige Basis für ein friedfertiges Zusammenleben zu schaffen.
Im Vortrag werden die thematischen Zentren des Briefwechsels dargestellt und kommentiert. Fragen der internationalen Politik wie die Diskussion der Möglichkeiten und Grenzen einer supranationalen Institution (damals vom „Völkerbund“, heute von den „Vereinten Nationen“ repräsentiert) stehen ebenso zur Debatte wie die Reflexion der Begriffe „Recht“, „Macht“ und „Gewalt“. Schließlich bewegt uns die von Einstein an Freud adressierte Frage bis heute: „Gibt es eine Möglichkeit, die psychische Entwicklung der Menschen so zu leiten, dass sie den Psychosen des Hasses und des Vernichtens gegenüber widerstandsfähiger werden?“ Freuds Antwort, vor allem seine Vorstellung vom Pazifismus aus organischen Gründen und die zunächst rätselhaft erscheinende Idee von einer „konstitutionellen Intoleranz“ gegen den Krieg, soll intensiv bedacht und Gegenstand gemeinsamer Auseinandersetzung werden.
Der Vortrag erinnert an den besonderen Beitrag, den Einstein und Freud zum Pazifismus des 20. Jahrhunderts, und d.h. zur Stärkung der internationalen Friedensbewegung geleistet haben, und fragt, was er für die Debatten der Gegenwartskatastrophe bedeuten könnte.
Referent: Dr. Bernard Görlich, analytischer Sozialpsychologe, war Hochschullehrer (Mitarbeiter von Alfred Lorenzer) in Frankfurt, Augsburg und Marburg, Gesamtschul-Lehrer an der Nikolaus August Otto-Schule in Bad Schwalbach und ist z.Z. auch Dozent am Alfred Adler-Institut in Mainz (Schwerpunkt: Vermittlung Freudscher Theorie).