Die Damaskusaffäre
Sonntag, 13. Juni, 11 Uhr bis ca. 15 Uhr (mit einer einstündigen Pause)
Referent: Oliver Glatz, Judaist und Islamwissenschaftler, ist derzeit Mitarbeiter am Jüdischen Museum Berlin.
(Bild: Moritz Daniel Oppenheim: Jüdischer Gefangener
in der Damaskusaffäre / Gemälde 1851)
Am 5. Februar 1840 verschwanden der katholische Kapuzinermönch Padre Tommaso de Camangiano und sein muslimischer Bediensteter Ibrahim Amara spurlos im syrischen Damaskus. Christen aus Damaskus machten daraufhin die örtlichen Juden für das Verschwinden der beiden verantwortlich und bezichtigten sie des Mordes.
Es war eines der ersten Male, das die aus dem christlichen Mittelalter bekannte und berüchtigte Ritualmordbeschuldigung in einem muslimischen Land geäußert wurde. „Während wir lachen und vergessen, fängt man an, im Morgenlande sich sehr betrübsam des alten Aberglaubens zu erinnern“, kommentierte damals Heinrich Heine die sogenannte „Damaskusaffäre“.
Der angebliche Ritualmord schlug sehr hohe Wellen und wurde bald zum Tagesgespräch nicht nur in Damaskus, Kairo und Konstantinopel, sondern auch in den Straßen, Schreibstuben und Herrschaftssitzen von Rom, London, Paris, St. Petersburg, Wien oder Berlin. Medien in aller Welt verfolgten das Ereignis und seine politischen Auswirkungen. Der Historiker Heinrich Graetz erkannte in der Affäre einen historischen Wendepunkt und widmete ihr ein ganzes Kapitel seiner „Geschichte der Juden“. Damit traten die „Juden unter dem Halbmond“ erstmals wirklich in das Bewusstsein der deutschen, französischen oder britischen jüdischen Gemeinden des 19. Jahrhunderts. Die dadurch losgetretene Welle der Solidarität sollte die jüdischen Gemeinschaften in den muslimischen Ländern von Grund auf verändern.